Dienstag, 24. März 2009

Zeitmanagement: ... lässt sich Zeit überhaupt managen?


Zeitmanagement? Was für eine Lachnummer! Als ob die Zeit sich managen ließe! Mein Kalender beispielsweise behauptet, der Frühling hat angefangen, aber draußen vor dem Fenster tobt sich allerfeinstes Novemberwetter aus: Grau, nass, kalt und stürmisch.

Und der Tag ist schon wieder an mir vorbeigezogen, ohne auf den Aufgabenlisten merkliche Spuren zu hinterlassen. Was unter anderem daran liegen könnte, dass ich mir neue Gerätschaften zugelegt habe, die dem Zeitmanagement dienlich sein sollen: Das neue Smartphone erweist sich in Tateinheit mit einem Betriebsystem-Update als Zeitvernichter erster Güte. Ich ertappe mich beispielsweise immer wieder dabei, wie ich versuche, dem Ding meine eigene Mobilfunknummer zu entlocken. Früher war das mal ganz einfach. Jetzt müsste ich im Handbuch nachlesen – das ärgert mich einfach.

Pragmatisch wie sie sind, lassen sich Informatiker die Zeit ja gerne aus dem Web liefern, aber wer weiß schon wirklich, was das eigentlich ist, Zeit? Außer natürlich ein knappes Gut. Einstein, der alte Fuchs, soll dazu mal gesagt haben: "Zeit ist etwas, das man mit einer Uhr messen kann". Er hat weder gesagt, wie die Uhr aussehen soll, noch dass bei der Messung nicht manchmal ziemlich merkwürdige Dinge herauskommen können. Soweit ich weiß sind meine Physikerkollegen bei der Beantwortung der Frage, was Zeit denn nun eigentlich sei, im wesentlichen immer noch nicht weiter (Um im Jargon zu bleiben, müsste ich eigentlich sagen: Das Problem ist noch nicht verstanden – als ob es eine inhärente Eigenschaft des Problems wäre, und nicht an denen liegt, die darüber nachdenken. Aber das ist eine andere Geschichte).

Klar ist bis heute nur: Den physikalischen Gesetzen, die wir kennen, ist eigentlich schnurz, ob die Zeit vorwärts oder rückwärts läuft, schneller oder langsamer. Die Berechnungen gehen in jedem Fall auf. Eine Flasche, die vom Tisch fällt, zerspringt in tausend Scherben. Die Energie aus dem Aufprall geht nicht verloren, sie wird auf die Umgebung verteilt. Rein theoretisch könnte der Prozess aber auch umgekehrt ablaufen – wie gesagt: Die Energie geht ja nicht verloren, und die Bewegungsgleichungen der Scherben funktionieren auch im Rückwärtsgang.

Die einzige, geheimnisvolle Größe, die für uns die Richtung der Zeit festzulegen scheint, ist die Entropie. Wenn Sie schon im Physikunterricht nicht verstanden haben, was das eigentlich ist, kann ich Sie trösten, das macht nichts. Die wesentliche Idee lautet: Die Dinge laufen so ab, dass die maximal mögliche Anzahl von Systemzuständen eingenommen wird – was eine freundliche Umschreibung ist für: Die Unordnung nimmt ständig zu. Wir können da gar nichts machen – alles rottet, versumpft und versifft, das ist nunmal der Lauf des Universums. Wenn ich die ständig wachsenden Papierberge auf meinem Schreibtisch betrachte, stimmt der Gedanke mich seltsam tröstlich.

Quelle:

Von Wolfgang Stieler

Posted via web from Superglide's Personal Blog ...

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