Freitag, 29. Mai 2009

Können 100 Milliarden Dollar die US-Wirtschaft wirklich nachhaltig modernisieren ...?

Gerade vier Woche im Amt, unterzeichnete US-Präsident Barack Obama am 17. Februar 2009 den „American Recovery and Reinvestment Act 2009“. Das 787 Milliarden Dollar schwere Konjunkturpaket sieht rund 100 Milliarden Dollar für den Ausbau von Energie- und Informationstechnologien vor.

Davon entfallen:
– 7,2 Milliarden Dollar auf den Ausbau des Breitband-Internet,
– 11 Milliarden Dollar auf die Moderniernisierung des amerikanischen Stromnetzes und seinen Umbau zu einem „Smart Grid“,
– 20 Milliarden Dollar auf die verstärkte Nutzung elektronischer Patientendaten,
– und 60 Milliarden Dollar auf die Verbesserung der Energieeffizienz und den Übergang zu Erneuerbaren Energien.


Hier wird gezeigt hier, welche Erfolgschancen US-Ökonomen dem Programm einräumen.

100 Milliarden Dollar sind eine atemberaubende Menge Geld. Erst recht angesichts der mageren Jahre in der Förderung von Forschung und Technik im Energiesektor, die hinter uns liegen. Zum Vergleich: Wagniskapitalgeber, die Cleantech immer wieder als ihr liebstes Kind bezeichnen, investierten hier im vergangenen Jahr 4,1 Milliarden Dollar.

Das Konjunkturpaket hat dabei zwei hehre Ziele: Es soll kurzfristig die Wirtschaft ankurbeln und langfristig Wachstum ermöglichen. Präsident Barack Obama und andere Mitglieder seiner Regierung haben das Paket wiederholt mit der Notwendigkeit verknüpft, „grüne“ Jobs zu schaffen und eine Wirtschaft der „sauberen Energie“ aufzubauen.

Doch sind diese Erwartungen realistisch? Können solche enormen Fördergelder für Technologien der Wirtschaft wirklich einen Schub geben? Und kann dieser plötzliche Geldfluss tatsächlich der Auslöser sein, um neue Technologien nach vorne zu bringen?

Fast alle Ökonomen sind sich darin einig, dass der technische Fortschritt langfristig Wirtschaftswachstum mit sich bringt. Viele Verfechter der Technikförderung im Konjunkturpaket gehen noch weiter: Damit würden auch sofort neue Arbeitsplätze geschaffen. Daniel Kammen, Leiter des Labors für Erneuerbare und Angemessene Energien an der Universität Berkeley, schätzt, dass Investitionen in Erneuerbare Energien drei bis fünf Mal mehr Jobs schaffen als vergleichbare Summen, die in fossile Energien fließen. „Vor allem Energieeffizienz und Solarenergie entpuppen sich als die Branchen, die die meisten Arbeitsplätze schaffen“, sagt Kammen.

Doch nicht alle Ökonomen teilen die Begeisterung für Obamas Konjunkturpaket. Einige sehen es mit gemischten Gefühlen, ja sogar mit Bestürzung. Sie befürchten, dass die beiden Ziele der Konjunkturbelebung und des langfristigen technischen Fortschritts auf ungute Weise verquickt werden. Am Ende könnte das Paket nicht effektiv genug sein, um überhaupt eins der beiden Ziele zu erreichen.

In der makroökonomischen Theorie hat ein Konjunkturpaket eine einfache, klare Funktion: Befindet sich die Wirtschaft im Abschwung, gibt die Regierung mehr Geld aus, um die schwindende Nachfrage von Verbrauchern und Unternehmen auszugleichen. Entscheidend für seine Effektivität ist, dass es arbeitsintensive Branchen fördert und schnell wirkt. Der geplante Umbau des Stromnetzes zu einem „Smart Grid“ zum Beispiel kann beides gerade nicht: Er wird Jahre dauern und kurzfristig nichts bewirken.

Verzerrung des technischen Fortschritts?

Die Vorbehalte gegenüber der Technikförderung im Konjunkturprogramm gründen sich aber nicht nur auf solche makroökonomischen Betrachtungen. Einige Fachleute befürchten auch, dass es ausgerechnet den Technologien, die es fördern soll, sogar schaden kann.

„Wenn man daran glaubt, dass Subventionen den technischen Wandel beschleunigen, soll man sie als eigenständiges Mittel einsetzen, unabhängig von einer Konjunkturspritze“, meint Paul Romer, Ökonom am Stanford-Institut für wirtschaftspolitische Forschung. Er sieht die Gefahr, dass die massiven Geldspritzen Innovationsstrategien verhindern, die sich als effektiver erweisen könnten.

Ein Feld, das den Ökonomen in ihrer Analyse besonders sauer aufstößt, ist der Ausbau des Breitbandnetzes in Gegenden, in denen bislang keine schnellen Internetzugänge existieren. Breitbandzugänge seien da gebaut worden, wo es wirtschaftlich sinnvoll sei, sagt Shane Greenstein von der Northwestern University. „Wenn man damit in anderen Gebieten hätte Geld verdienen können, hätte es längst jemand gemacht“, urteilt er. „Wir haben 2009, nicht 2003.“

Nach einer aktuellen Stude des Pew Reserch Center in Washington sind weniger als die Hälfte aller Erwachsenen in den USA ohne Breitbandzugang. Die meisten von diesen äußern aber, dass sie einen Breitbandanschluss gar nicht wollen, entweder weil er zu teuer sei oder weil sie schlicht kein Interesse daran hätten. Nur 4,5 Prozent der US-Haushalte vermissen einen Breitbandzugang ausdrücklich.

Einen städtischen Haushalt damit zu auszustatten, kostet etwa 150 Dollar, in den Vorstädten sind es ungefähr 250 Dollar. Niemand könne jedoch die Bereitstellung eines Breitbandanschlusses in den bislang vernachlässigten Gegenden beziffern, warnt Greenstein, da die Kosten je nach Lage enorm variieren würden. Eine optimistische Schätzung seien Kosten von mindestens 1000 Dollar pro Anschluss. Bei abgelegenen Orten könnte es weit mehr sein.

Greenstein hält auch den Nutzen für die lokale Wirtschaft in diesen Gebieten für begrenzt. Nach seiner Analyse wird der größte Teil des finanziellen Gewinns durch den Breitbandausbau auf die Netzbetreiber entfallen. Profitieren würden auch Hersteller von Netztechnik oder Unternehmen wie Amazon oder Google. Die Endnutzer hingegen hätten vergleichsweise wenig davon.

Eine "Green Economy" als neue "New Economy"?

Ökonomen gehen davon aus, dass Innovationen in Wissenschaft und Technik heutzutage für 90 Prozent des Wirtschaftswachstums verantwortlich sind. Denn dank besserer Technologien lassen sich mehr Dinge billiger produzieren und neue Märkte erschließen. In anderen Worten: Sie erhöhen die Produktivität. Besonders dramatisch hat hier der Boom der Informationstechnik gewirkt, der Mitte der neunziger Jahre begann. Seit 1995 hat die Produktivität stärker zugenommen als je zuvor in der Nachkriegszeit.

Die Ökonomen haben einige Jahre gebraucht, um theoretisch nachzuvollziehen, was genau diesen Produktivitätsschub ausgelöst hat. Die abnehmenden Kosten für Hardware und Software seien es gewesen, sagt Dale Jorgenson von der Harvard University. Obwohl die IT-Ausgaben selbst nur drei Prozent des amerikanischen Bruttoinlandsproduktes ausmachten, hätten sie „eine gewaltige Wirkung“ entfacht: „Es ist im großen und ganzen die Informationstechnik gewesen, die den Produktivitätszuwachs im Boom der Neunziger ausgelöst hat, und sie zieht immer noch.“

Könnte nun eine „Green Economy“ die neue „New Economy“ werden und die Erfolgsgeschichte der IT wiederholen? Jorgenson ist skeptisch. Tatsächlich sei die gegenwärtige Situation der denkbar größte Gegensatz zu den Neunzigern, als es die Marktnachfrage war, die den Einsatz der Informationstechnik antrieb. „Viele Energietechnologien, die nun gefördert werden sollen, sind ohne Subventionen kommerziell nicht überlebensfähig“, urteilt Jorgenson. „Denn was bedeutet Subvention? Doch wohl, dass eine Technologie noch nicht gut genug ist. Sie hält den Anforderungen des Marktes nicht stand.“

Natürlich ist ein Grund für die Investitionen in den Energiesektor, etwas gegen den Klimawandel zu tun. Für Jorgenson wäre diesem Ziel besser gedient, indem Innovationen über einen Preis für das Treibhausgas CO2 stimuliert werden – entweder durch eine direkte Besteuerung, was er befürwortet, oder durch einen Emissionshandel, über den derzeit im US-Kongress beraten wird.

Nur ein Rettungsring für die Solarindustrie?

Während sich die Ökonomen der akademischen Welt den Kopf über die beste langfristige Strategie zerbrechen, haben die Unternehmer der Erneuerbare-Energien-Branche freilich ganz andere Sorgen. Für sie geht es im Moment ums nackte Überleben. Denn die Finanzkrise hat es so gut wie unmöglich gemacht, eine Finanzierung für kapitalintensive Großprojekte zu bekommen. Für Technologien wie Photovoltaik, Windkraft oder Biokraftstoffe sei die ökonomische Wetterlage „wirklich scheußlich“, sagt David Victor, Leiter des Programms für Energie und Nachhaltige Entwicklung an der Stanford University.

Das Konjunkturprogramm sieht tatsächlich eine Reihe von Hilfen für die schwächelnde Erneuerbare-Energien-Branche vor. Allein 17 Teilmaßnahmen kämen in der einen oder anderen Form der Solarindustrie zugute, sagt Howard Berke, Vorstandsmitglied und Mitgründer von Konarka, das organische Solarzellen der dritten Generation produzieren will. Zu diesen Maßnahmen gehören Steuererleichterungen, die unterm Strich 30 Prozent der Kosten für neue Solarprojekte auffangen, ein Programm staatlicher Bürgschaften für Erneuerbare Energien mit einem Gesamtumfang von sechs Milliarden Dollar sowie Investitionskredite für neue Produktionsanlagen in den USA. Der amerikanische Solarindustrie-Verband schätzt, dass all diese Maßnahmen zusammen in den kommenden zwei Jahren 110.000 Arbeitsplätze schaffen werden.

Die Gefahr ist allerdings, dass all die Regierungsdollars zwar die Erneuerbare-Energien-Branche am Leben halten, aber auch Technologien stützen, die eigentlich nicht konkurrenzfähig sind. Vor allem die Solarindustrie ist hier besonders anfällig. Photovoltaik sei nicht nur zu teuer, kritisiert Henry Lee, Leiter des Umwelt- und Ressourcen-Programms an der Harvard University. Die Forschung müsse auch langlebigere und effizientere Solarzellen entwickeln, die eine höhere Spannung erzeugen können. Lee findet die Förderung von Solar- und Windenergie im Konjunkturpaket durchaus positiv. Weil es sich aber auf bereits existierende Technologien konzentriere, könnte es notwendige Verbesserungen behindern. „Stimuliert werden sollten ja eigentlich Bemühungen, bessere Windräder und Solarkollektoren zu bauen“, sagt Lee. Stattdessen zielten die Fördergelder auf das Problem ab, „wie viele Windräder und Solarmodule sich errichten lassen.“

Was kommt nach dem Konjunkturprogramm?

Noch in diesem Jahr könnte der US-Kongress ein weiteres ehrgeiziges Gesetzespaket auf den Weg bringen, das – wie das Konjunkturpaket – die Ökonomie der Energietechnik für die nächsten Jahrzehnte prägen wird. Das könnte den Klimaschutz unterstützen.

Doch nur wenige Energieexperten glauben, dass Erneuerbare Energien schon bald und im großen Stil billig und zuverlässig genug seien, um fossile Energien zu ersetzen. Solarstrom wird wohl noch lange relativ teuer bleiben. Dasselbe gilt für fortschrittliche Biokraftstoffe – es wird noch einige Zeit dauern, bis sie den Benzinverbrauch spürbar senken können. Der Umbau des Stromnetzes wird ebenfalls Jahre in Anspruch nehmen, mindestens 100 Milliarden Dollar kosten und nur dann effektiv sein, wenn auch neue Stromspeichertechnologien vorhanden sind. Energieministier Stephen Chu betonte deshalb in einer Kongressanhörung im März, dass Technologien nötig seien, die all diese Teilbereiche „transformieren“ könnten. Dazu gehöre auch eine Photovoltaik, „die fünf Mal billiger ist als die heutige Technik“.

Soll der Übergang zu einer Cleantech-Wirtschaft wirklich ernsthaft beginnen, muss die Regierung die alte Politik konsequent hinter sich lassen. Am wichtigsten ist vielleicht, dass sie die Energieforschung auch dann fördert, wenn das Konjunkturprogramm ausläuft und die politische Unterstützung für eine massive Technikförderung abbröckelt.

Richard Lester, Leiter des Industrial Performance Center am MIT, warnt denn auch davor, allzu große Hoffnungen in das Konjunkturpaket zu setzen. Die Schwierigkeit bestehe darin, angesichts der Geldschwemme die richtigen Forschungsprojekte auszuwählen. Er geht davon aus, dass ein Großteil des Geldes nicht vernünftig ausgegeben wird. „Ich glaube nicht, dass man begriffen hat, welch gewaltige Aufgabe vor uns liegt.“ Die Neuerfindung der nationalen Energieversorgung der USA – denn um nichts weniger geht es – sei ein Projekt „mit einem Zeithorizont von mehreren Jahrzehnten“.

Quelle:

David Rotman

Posted via web from Superglide's Personal Blog ...

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