Mittwoch, 17. Juni 2009

Der zwitschernde Goldrausch ... ?

Der Computerkonzern Dell hat seit 2007 rund drei Millionen Dollar direkten Umsatz durch den Kurznachrichtendienst Twitter erzielt – indem regelmäßig aktuelle Sonderangebote über dessen Plauderkanäle beworben wurden. Das ist insofern erstaunlich, als dass das Web 2.0-Start-up selbst seit seiner Gründung im Jahr 2006 noch keinen einzigen Cent verdient hat. Denn Twitter war und ist für seine Anwender schließlich kostenlos, nicht einmal eine einzige externe Textanzeige stört die Benutzbarkeit beim "Zwitschern".

Wenn schon kein Geld fließt – zumindest das Nutzerwachstum ist beeindruckend. Im April soll die Firma aus San Francisco laut Statistik des Online-Marktforschungsunternehmens Compete mehr Besucher gehabt haben, als die "New York Times" und das "Wall Street Journal" zusammen. Das Medienanalysehaus Nielsen wiederum sah bereits im März ein monatliches Wachstum von über 1300 Prozent, was sogar einstige Mitmachnetz-Platzhirsche wie das höchst beliebte soziale Netzwerk Facebook um mehr als das Fünffache schlug.

Die Twitter-Gründer Jack Dorsey, Evan Williams und Biz Stone geben sich locker, was das Geldverdienen anbetrifft. Zum Thema Online-Werbung meinte Stone, dessen offizieller Titel "Kreativdirektor" lautet, kürzlich nur, man hasse Reklame ja gar nicht. Doch sie müsse "innovativ" und "interessant" genug zu sein. "Die Idee, Geld mit traditionellen Banner Ads auf Twitter.com zu verdienen, stand schon immer ganz unten auf unserer Liste." Immerhin kündigte er an, sich in diesem Jahr auf dem Werbefestival in Cannes zu tummeln und dort auch zu sprechen. "Ich sage dann Bescheid, wie es war."

Auch Premiumdienste scheinen nicht recht auf der Agenda der Thirtysomethings zu stehen, die Twitter anführen. So könnte man beispielsweise Geld dafür verlangen, dass der Kommunikationsdienst, auf dem jeder Nutzer seine aktuelle Stimmungslage in 140 Zeichen langen Botschaften mitteilen kann, die Echtheit einzelner Mitgliedschaften überprüft. Solche "Verified Accounts" könnten dann sicherstellen, dass Britney Spears tatsächlich unter Britney Spears twittert oder der Firmenkundenservice eines Telekomkonzerns nicht von einem erbosten Konsumenten bedient wird. "Verified Accounts" gibt es seit kurzem tatsächlich. Doch auch sie kosten die Promis, Firmen und Organisationen, die sie in einem Betatest nutzen können, bislang keinen Cent.

Das Twitter-Team scheint sich an alldem nicht zu stören. Die nicht ganz 50 Männer und Frauen starke Truppe verfügt über ein Risikokapitalreservoir von 57 Millionen Dollar, die mehrere bekannte Finanziers eingeschossen haben. Die scheinen bislang keinen Druck zu machen, dass sich auf der Einnahmeseite etwas tut – sie wollen Twitter weiter wachsen sehen und hoffen, dass wie weiland bei Google mit Suchmaschinenwerbung aus vielen, vielen Nutzern viel, viel Geld werden kann. Auch die Gründer des Internet-Riesen, Larry Page und Sergey Brin, hätten anfangs nicht gewusst, mit was sie Gewinne schreiben würden, lautet die Argumentation. Heute setze Google über 20 Milliarden Dollar im Jahr um.

Allerdings musste Google einst nicht damit leben, dass auf seinem eigenen Rücken andere prächtige Geschäfte machten. Das ist bei Twitter in mehrfacher Hinsicht so, ja, es wird sogar gefördert. Eine eigene Software-Schnittstelle (API) erlaubte es von Anfang an, eigene Twitter-Programme für den Arbeitsplatzrechner und mobile Systeme zu entwickeln. So gibt es allein für Apples populäres iPhone ein gutes Dutzend eigener Anwendungen, die nur dazu dienen, den Kommunikationsdienst anzusteuern. Die Nutzer sind scheinbar durchaus bereit, dafür zu zahlen: Einer der populärsten iPhone-Twitter-Clients, "Tweetie", kostet immerhin drei Dollar, andere Programme sogar fünf und mehr. Sie werden viele Tausend Male verkauft.

Auf dem Desktop leben Twitter-Anwendungsprogrammierer für Mac oder PC derweil entweder ebenfalls von Lizenzgebühren oder sie schalten Werbung innerhalb der Twitter-Feeds, von der nur sie profitieren, Twitter selbst sieht einmal mehr keinen Cent.

Auch mit Twitter-Inhalten selbst wird inzwischen extern verdient. Im Juni schickten sich gleich zwei Firmen an, den im Netz einst so verhassten Begriff "Paid Content" in den Kommunikationsdienst einzuführen. Super Chirp und TwitPub erlauben es jedem Nutzer, spezielle Twitter-Kanäle oder Direktnachrichtenströme einzurichten, für die Interessierte dann ab 99 US-Cent im Monat zahlen können.

Ein Wall Street-Experte nutzt ein solches Angebot, um für ein 10 Dollar-Abo heiße Börsentipps zu verbreiten; andere Twitterer lassen sich so für Promiklatsch entlohnen. 20 bis 30 Prozent des Umsatzes, bezahlt wird per PayPal oder Kreditkarte, gehen dabei an die Diensteanbieter, der Rest an den "Inhalteersteller". Promis im Kurznachrichtendienst können dabei durchaus sechsstellige Umsatzzahlen erreichen. Würde etwa der Basketballer Shaq O'Neal nur ein Prozent seiner 1,1 Millionen Twitter-Fans dazu bewegen, ihm jeden Monat einen Dollar fürs Plaudern zu überlassen, hätte er problemlos über 100.000 Dollar mehr im Jahr auf dem Konto. Vielleicht sollte Twitter dann damit beginnen, Lizenzgebühren zu verlangen.

Quelle:

Ben Schwan

Posted via web from Superglide's Personal Blog ...

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen